Kulinarische Didaktik

Im Bild einer guten Esskultur über Lernkultur nachdenken

Lars Mecklenburg
3 min readSep 24, 2020
Kulinarische Didaktik

Zur Beurteilung von kommunikativen Prozessen des Lernens und Lehrens und zur Förderung der Bedingungen ihres Gelingens (also von Lernkultur) wird sich in einer “kulinarischen Didaktik” an dem Bild einer ausgewogenen, genussvollen und auf ein Miteinander angelegten Esskultur orientiert. Die kulinarische Didaktik ist kein Ansatz und auch keine Theorie, sie ist nur die Orientierung auf eine Metapher hin. Das Kulinarische ist dabei nicht einmal eine dieser unbewusst wirkungsmächtigen Metaphern. Sie ist eher ein verlockender Geruch aus der Küche, dessentwegen man sich entscheidet, einen gedanklichen Schritt zu machen. Eine Metapher, die darin besteht, gelebt zu werden.

Als Vertreter des “culinary turns” ließe sich vielleicht der Didaktiker Axel Krommer anführen, der vermutlich von einer Zuschreibungsmöglichkeit dieser Art bis dato nichts ahnte: “Es muss daher verwundern, dass er [Zierer] den lernenden Menschen zu einer Ansammlung feuernder Neuronen und Synapsen degradiert, um den Grundsatz »Lernen bleibt Lernen« zu begründen. Der Kategorienfehler, der hier vorliegt, ist vergleichbar mit dem Versuch, italienische Esskultur auf Verdauungsvorgänge zu reduzieren.”

Im Bereich der Ernährung ist selbstverständlich geworden, niemandem Essen gegen den eigenen Willen zuzumuten (auch nicht den Jüngsten und den Ältesten). Das war nicht immer so, aber weder Notwendigkeit noch Ohnmacht rechtfertigen heute derartiges Vorgehen. Ein solches Umdenken wird von der kulinarischen Didaktik adaptiert. Sie überwindet das Vorurteil, dass traditionelle Gerichte immer zeitgemäß bleiben und dass gut aussehendes Essen jedem schmecken und in jedem Fall gegessen werden muss.

Metaphorisch besteht seit Langem die Verknüpfung von Lern- und Esskultur: geistige Nahrung, Wissenshunger, Bulimielernen, neuerdings Learning Snacks. Mit der Betonung des Kulinarischen wird eine spezielle Ausprägung von Esskultur als Zielmetapher gesetzt. Sie ist vor allem auf die Erlebnisqualitäten von Geschmack und Geselligkeit hin orientiert.

Zubereitetes wird miteinander geteilt, empfohlen, probiert, so dass sich persönliche Vorlieben auf Basis breiter Erfahrungen ausbilden können. Sowohl das Zubereiten als auch das Essen (und sehr wichtig auch das anschließende Putzen der Küche) werden in der kulinarischen Didaktik als ein Miteinander begriffen.

Das Ziel einer Befähigung, selbst gutes Essen zubereiten zu können, unterstützt den Lernenden, feine Geschmacksnuancen überhaupt erst erkennen zu können. Rollenzuordnungen sind in der so verstandenen Lernkultur nachgeordnet. Wichtig ist das Gelingen der kommunikativen Prozesse, wer auch immer gerade am Herd steht.

Das Unzubereitete, auch die ganz fremd wirkenden Zutaten, werden zunehmend dem eigenen Vermögen zur Zubereitung überlassen. Unterschiedliche Geschmäcker können genauso berücksichtigt werden wie Grundsätze gesunder Ernährung. Würzen wird als Grundmetapher für das Vermögen zur Differenzierung gedacht: Das rechte Maß und die Finessen einer guten Zubereitung zu finden, bleibt eine dauerhafte Suche – für jeden, der in der Küche steht.

Gelingende Kommunikation lässt sich nicht an äußerlichen Formen festmachen. Sie lässt sich auch niemals erzwingen. Genauso wie gutes Essen. Es sind Bedingungen zu schaffen, die Freude an Kochen und Essen wahrscheinlicher machen. Teilnahme an Kommunikation besteht nicht in Anwesenheit, sondern in Beteiligung. Sich angesprochen zu fühlen ist nicht dasselbe wie etwas gehört zu haben. Sich mitzuteilen ist nicht dasselbe wie etwas zu sagen.

Es geht darum, die Schule als einen kulinarischen Ort zu denken, so dass eine Frage gestellt werden kann, die heute für Schüler:innen wie Lehrer:innen noch gleichermaßen deplatziert wirkt, die uns aber nach Vollzug des “culinary turns” daran erinnern wird, wie häufig es früher für alle dieselben vorgekochten Fertiggerichte gab:

“Und, wie kulinarisch war es heute in der Schule?”

Ob der genannte Axel Krommer doch wieder einen Artikel geschrieben hat, in dem der hier beschriebene Ausflug vorweggenommen ist, wird sich in diesem Tweet hier prüfen lassen. Dort auch gern andere Hinweise und Rezepte.

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Lars Mecklenburg

Entwickler • Reflexionen zu Digitalität und Bildung • Bildungsplattform CodeLab Berlin • Grundschul-App MatheLab Berlin